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Neue Mitte

Roman

Erschienen am 24.08.2011, 1. Auflage 2011
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783894017415
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 21.5 x 13.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Winter 2029/30. Deutschland hat nach neun Jahren Juntaherrschaft vier Jahre Übergangsregierung unter englischer Führung hinter sich. Das ehemalige Regierungsgelände in Berlin ist Niemandsland. Doch hat sich dort inzwischen ein bunter Haufen von Menschen angesiedelt, die ihr Utopia leben: intelligent, gebildet, die meisten vernetzt durch den Widerstand während der Juntazeit: ein Gärtner, ein Geigenbauer, ein anarchistischer Lektürezirkel, das Restaurant 'Le plaisir du texte'. Nun soll dort auch eine Bibliothek eingerichtet werden - für deren Aufbau ist Ulrich Anders nach Berlin gekommen, der Erzähler des Romans. Doch der Zustand glückseliger Freiheit ist bald bedroht: Aus den verlassenen U-Bahn-Schächten heraus unternimmt die Junta einen neuen Putschversuch. Eine Drahtzieherin scheint die schöne Witwe des Juristen der Junta zu sein, dessen Bibliothek Ulrich gekauft hatte. Und an was für einem geheimnisvollen Programm arbeitet Ulrichs Freundin, die Softwareentwicklerin Eleanor Rigby? Jochen Schimmang gibt dem Möglichkeitssinn Zunder und entwirft ein Deutschland der Zukunft, in schönster postmoderner Tradition: pure Lust am Text! Aber Neue Mitte ist auch ein spannender Politthriller, der das eigene Genre aufs Korn nimmt und ganz nebenbei Roland Barthes Frage 'Wie zusammen leben?' zu beantworten sucht.

Autorenportrait

Jochen Schimmang, geboren 1948, studierte Politische Wissenschaften und Philosophie an der FU Berlin und lehrte an Universitäten und in der Erwachsenenbildung. Er ist freier Schriftsteller und Übersetzer und lebt in Oldenburg. 2010 erhielt er für seinen Roman »Das Beste, was wir hatten« den Rheingau Literatur Preis und 2012 den Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar für »Neue Mitte« sowie die Künstlerstipendien der Villa Concordia in Bamberg und des Künstlerhauses Edenkoben. 2017 erschien sein Roman »Altes Zollhaus, Staatsgrenze West« und 2019 der Erzählungenband »Adorno wohnt hier nicht mehr«. 2019 wurde Jochen Schimmang mit dem Walter Kempowski Preis für biografische Literatur des Landes Niedersachsen ausgezeichnet, 2021 erhält er den Italo-Svevo-Preis.

Leseprobe

Wir waren nicht mehr Enklave oder Exklave, nicht mehr Zwischenraum oder Peripherie; wir waren mittendrin. Vielleicht waren wir sogar das, was keiner von uns sein wollte, die neue Mitte. Sander gab mir die Hand und zog mich ins Haus, genauer: zwischen die Mauern, die stehen geblieben waren. Wir brauchten fast eine Viertelstunde, um am anderen Ende der Ruine anzukommen. In manchen Räumen war ein Teil des Mobiliars zurückgelassen worden: Stühle, Sessel, Schreibtische, die nun teilweise völlig verwittert und verschimmelt waren. Andere Stücke hatten die neuen Bewohner an sich genommen und aufgearbeitet, erzählte Sander. 'Bei uns ist praktisch jedes Handwerk vertreten', sagte er, 'sonst könnten wir gar nicht existieren. Das Gerümpel, das hier noch herumsteht, wird bald entsorgt werden.' An einer der Wände hing noch immer das offizielle Bild des Generals. Jedes Mal, wenn er daran vorbeikam, wollte Sander es abnehmen und auf den Müll werfen, winkte dann aber ab und ging weiter. Das Foto war stark nachgedunkelt und ganz leicht gewellt, aber es zeigte den General, wie ihn die ganze Welt gekannt hatte: im Halbprofil, das kurze Haar streng gescheitelt und mit einem Blick, der zugleich Entschlossenheit und Güte ausdrücken sollte. Sein Leibfotograf war bei der Flucht der Regierung nicht mehr mitgekommen, sondern gefasst worden.Man hatte ihn jedoch nicht an die Wand gestellt, sondern sich sein Können und seine Dienste für die neuen offiziellen Legenden gesichert.