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Veranstaltung verschoben! Rolf Becker liest Hans Paasche

19.08.202020:00 Uhr bis 22:00 Uhr

Leider müssen wir die Veranstaltung am 19.08.2020 verschieben. Sie wird voraussichtlich im Mai 2021 nachgeholt - zum 101. Todestag von Hans Paasche.

Im Vorverkauf erworbene Karten können in der Buchhandlung oder an der Abendkasse am 19.08.20 zurückgegeben werden, sie werden erstattet. Die Karten behalten aber auch für die Veranstaltung im Mai 2021 ihre Gültigkeit.

Hans Paasche, Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland

Hans Paasche, geboren 1881, Rostocker, Kolonialoffizier, dann Antimilitarist, Pazifist und Publizist, wurde 1920 auf seinem Landgut östlich von Rostock von rechtsgerichteten Reichswehrangehörigen ermordet.

Sein Vater, Hermann Paasche, saß für Rostock im Reichstag, war stellvertretender Reichstagspräsident als Mitglied der Nationalliberalen Partei. Er war Lobbyist der Zuckerindustrie.

Hans Paasche meldete sich 1900 zur Reichsmarine, er wollte die Welt sehen. 1904 kam er als Oberleutnant zur See nach Daressalam in Tansania, damals die Kolonie Deutsch-Ostafrika. Im August 1905 brach in Deutsch-Ostafrika der Maji-Maji-Aufstand aus. Es war einer der größten Aufstände Einheimischer in Afrika überhaupt, ausgelöst durch die endlose Profitgier der Kolonialmacht, die Ausbeutung und Ausplünderung der einheimischen Bevölkerung durch immer neue Steuern und Arbeitsdienste. Das Aufstandsgebiet war grö´ßer als das Deutsche Reich selbst. Niedergeschlagen wurde der Aufstand durch die Militärtechnik und die Strategie der "verbrannten Erde" durch die Kolonialtruppen. Hans Paasche war einer der wenigen Kolonialoffiziere, die versucht hatten, die einheimische Kultur zu verstehen, er hatte begonnen, die Sprachen zu lernen. Sein Bemühen, bei der Niederschlagung des Befreiungskampfes menschliche Verluste auf beiden Seiten zu verhindern, brachte ihm die Feindschaft andere Kolonialoffiziere und -soldaten ein, denn Belohnung und Ehrung gab es bei Siegen, nicht bei Kompromissen. Er begann, öffentlich Kritik an der brutalen deutschen Kolonialpolitik zu üben, 1909 wurde er aus der Reichswehr entlassen. Er heiratete Ellen Witting, Bankierstochter und Nichte des Publizisten Maximilian harden, die Hochzeitsreise brachte ihn wieder nach Ostafrika.

Er begann, als Publizist zu arbeiten, begründete die Zeitschrift Der Vortrupp mit, in der er ab 1912 fiktive Briefe eines Afrikaners in das Land der Kolonialherren zu veröffentlichen, posthum wurde diese Briefe 1921 als Buch unter dem Titel Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland veröffentlicht. Bereits die Briefe erregten ungeheures Aufsehen, waren sie doch in der kriegsschwangeren Zeit vor Ausbruch des I. Weltkrieges eindeutig pazifistisch ausgerichtet, eine klare Kulturkritik am sogenannten zivilisierten Lebensstil im kolonialen Deutschland, geprägt auch von der Naturbewegung, für die Hans Paasche eintrat. Als Publizist setzte der sich für das Frauenwahlrecht ein, trat für Tierschutz und die vegetarische Bewegung ein.

Paasche wurde mit Kriegsbeginn wieder zur Reichswehr eingezogen, doch sein offen antimilitaristisches Auftreten und Publizieren führte schließlich im Januar 1916 zur Entlassung aus der Reichsmarine. Seine weiterhin offene antimilitaristische Tätigkeit führte im Herbst 1917 zu seiner Verhaftung. Ein öffentlicher Prozeß, der zum Todesurteil hätte führen können, wurde aus nicth endgültig geklärten Gründen vermieden, Paasche stattdessen in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Während der Novemberrevolte befreiten ihn Matrosen und brachten ihn direkt nahc Berlin, wo er in den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte gewählt wurde.

Im Dezember 1918 erlag seine 29jährige Frau der Spanischen Grippe, Paasche zog sich daraufhin mit seinen vier Kindern auf das Gut Waldfrieden zurück. Am 21. Mai 1920 wurde er dort von rechtsgerichteten Angehörigen der Reichswehr vor den Augen seiner Kinder erschossen. Er kam mit ihnen vom Baden, erkannte die Soldaten und versuchte sich vor ihnen zu verstecken. Er wurde entdeckt und - in Badehose - "auf der Flucht erschossen". Die Mörder wurden niemals verurteilt. Theobald Tiger (Pseudonym für Kurt Tucholsky) hat am 3. Juni 1920 in der Weltbühne ein entsprechendes Gedicht veröffentlicht:

Paasche
von Theobald Tiger
Wieder einer.
Das ist nun im Reich
Gewohnheit schon. Es gilt ihnen gleich.
So geht das alle, alle Tage.
Hierzuland löst die soziale Frage
ein Leutnant, zehn Mann. Pazifist ist der Hund?
Schießt ihm nicht erst die Knochen wund!
Die Kugel ins Herz!
Und die Dienststellen logen:
Er hat sich seiner Verhaftung entzogen.
Leitartikel. Dementi. Geschrei.
Und in vierzehn Tagen ist alles vorbei.
Wieder einer. Ein müder Mann,
der müde über die Deutschen sann.
Den preußischen Geist – er kannte ihn
aus dem Heer und aus den Kolonien,
aus der großen Zeit – er mochte nicht mehr.
Er haßte dieses höllische Heer.
Er liebte die Menschen. Er haßte Sergeanten
(das taten alle, die beide kannten).
Saß still auf dem Land und angelte Fische.
Las ein paar harmlose Zeitungswische …
Spitzelmeldung. Da rücken heran
zwei Offiziere und sechzig Mann.
(Tapfer sind sie immer gewesen,
das kann man schon bei Herrn Schäfer lesen.)
Das Opfer im Badeanzug … Schuß. In den Dreck.
Wieder son Bolschewiste weg –!
Verbeugung. Kommandos, hart und knapp.
Dann rückt die Heldengarde ab.
Ein toter Mann. Ein Stiller. Ein Reiner.
Wieder einer. Wieder einer.
Und nun –?
Die Regierung wird was tun?
Die Regierung ist gegen Empörung immun.
Schlafen. Zucken die Achseln. Glauben
verlogenen Berichten der Pickelhauben.
Und du liest am nächsten Tag in der Zeitung:
Unschuldig der Mörder – unschuldig die Leitung.
Hausen genau wie damals in Flandern.
Menschen? Tiere sind die andern.
Spielen noch immer herrliche Zeiten
der militärischen Notwendigkeiten,
Und nun –? Die Regierung läßt sie machen …
Flamm auf, du Volk! Feg sie hinweg.
Da sitzt der Bolschewistenschreck!
Da sitzt Aufruhr. Da die Gefahr.
Alles noch so, wie es früher war …
Morgen tun sies grad so wieder …
Und Jesus steigt vom Himmel hernieder.
Breitet segnend die leuchtenden Hände,
tritt vor den Soldatenlümmel hin
und sagt: „Du, es ist Zeitenwende.“

Rolf Becker liest Texte von Hans Paasche, Verleger Helmut Donat spielt und singt Texte.

Kulturhafen im Circus Fantasia, Am Kabutzenhof, 18057 Rostock

Abendkasse: 15,00 Euro, Vorverkauf: 12,00 Euro.

inkl. MwSt.

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