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Das Klavier im Nebel

Roman

Erschienen am 19.08.2005
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053526
Sprache: Deutsch
Umfang: 520 S.
Format (T/L/B): 4 x 22 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Durch die Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg hat die als "bourgeois" verfemte Familie des jungen Fabrikantensohns Clemens aus Schäßburg/Sighisoara in Siebenbürgen alles verloren: Der Vater ist im Gefängnis, die Mutter verschollen, Clemens arbeitet in einer Porzellanfabrik und besucht die Abendschule. Als er der Rumänin Rodica begegnet, sprengt die Liebe alle Grenzen. Doch findet er aus seiner sächsischen Bürgerlichkeit oder siegt die Tradition über das Gefühl? Mit seinem vielschichtigen Roman überzeugt Eginald Schlattner aufs Neue als Erzähler von "fontanescher Reife" (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Autorenportrait

Eginald Schlattner, 1933 in Arad am westlichen Rand Rumäniens geboren, wuchs in Fogarasch am Fuße der Kapaten auf und studierte bis zu seiner Relegation evangelische Theologie in Klausenburg, anschließend Mathematik und Hydrologie. 1957 wurde er verhaftet und 1959 wegen "Nichtanzeige von Hochverrat" verurteilt. Nach der Entlassung arbeitete er erst als Tagelöhner in einer Ziegelfabrik und später als Ingenieur. 1973 nahm Schlattner noch einmal das theologische Studium auf und ist seit 1978 Pfarrer in Rosia (Rothberg) bei Hermannstadt. Bücher: Der geköpfte Hahn (1998), Rote Handschuhe (2001), Das Klavier im Nebel (2005).

Leseprobe

Die Tante in Bukarest, böse wie das Feuer, zeigte sich von der besten Seite. Sie entfaltete ihren ganzen Charme, was den Onkel ungerührt ließ, Rodica gleichgültig war, Clemens aber Eindruck machte. Es war der Onkel, der Rodica in Schäßburg gezwungen hatte, die Fahrt ans Meer mit Clemens abzusagen. Die Befehle seiner Frau führte er ebenso dienstwillig aus wie die Befehle seines Ministers, selbst wenn sie forderte, daß er ihr die Hände bis zum Ellbogen küßte und zurück bis zu den Fingerspitzen, was er ohne Murren tat, nicht anders, als handle es sich um Schädlingsbekämpfung. Er schwieg zu allem. Doamna Aurora Ingrid war klein von Gestalt, sie trug hochhackige Schuhe, so daß der Fuß steil abwärts wies. Die große Zehe stand vorne heraus, scharlachrot touchiert, und scharlachrot waren die krallenhaften Fingernägel. 'Weißt du, warum die Fingernägel so lang sind?' flüsterte Rodica. 'Sie will damit beweisen, daß sie eine Intellektuelle ist. Mit solch schrecklichen Krallen kann man keine grobe Arbeit verrichten. Huh. Und die Kinder kriegen die Fraisen.' Die Gastgeberin trug nur rot. Ein Rausch in Rot. Die leichtfüßige Figur war umweht von Gewändern in Abwandlungen von Purpur bis Rosa. Ihr Haar war schwarz mit silbernen Strähnen. 'Sie wird grau. Nun hat sie einige Strähnen silbrig gefärbt, damit man denkt, es sei eine modische Marotte.' 'Mit Ofensilber', pflichtete Clemens bei. Sie verstanden sich wieder wie einst. Am Abend, wenn sie sich über die Eindrücke des Tages austauschten, fiel beiden meist dasselbe ein. Die Gemächer des Hauses hatte man in Socken zu betreten. Im Flur standen die Schuhe des Hausherrn in Reih und Glied. Die puppenhaften Schuhe der Dame lagen wahllos herum, so wie sie ihr von den Füßen gepurzelt waren. Die Gäste durchquerten den Vorraum wie ein Minenfeld. Im venezianischen Salon waren die Perserteppiche mit einer Zellophanfolie geschützt. Schritt man darüber, kräuselte sich das ätherische Gebilde unter den Füßen. 'Faites attention! Mon Dieu, mon Dieu! Les tapis, notre seule fortune!' rief die Tante. Sie schlug die Hände vors Gesicht. Die Rubine an ihren Fingern funkelten. An jedem Finger glänzte ein anderer Ring. Acht Goldringe und einer am Daumen machten die Kollektion aus. Sie selbst schien über den teuren Teppichen zu schweben. 'Er ist zwar der Hausherr. Aber sie ist der Herr im Haus', flüsterte Clemens Rodica zu. 'Der scharlachrote Hausdrache!' Trotzdem: Clemens war geradezu entzückt, um so mehr ihm Schlimmes geschwant hatte. Ja, sogar eine lange Hose kaufte er, wie doamna Ingrid es wünschte. 'Ihr Wunsch ist mir Befehl', sagte er galant, und sie schlug weit die Augendeckel auf. Und erläuterte: 'Nu poþi face promenadã la Bucureºti, dragã Clemente, Ãn pantaloni scurþi, deasupra din Tirolia.' Unmöglich, hier in kurzen Tirolerhosen herumzulaufen. Das rufe die Besetzung Bukarests durch die Deutschen 1916 bis 1918 in Erinnerung. Unselig waren im Gedächtnis der Bevölkerung die drakonischen Dekrete der deutschen Militärregierung verwahrt geblieben. 'Sogar wie man ein Klosett benützt, wurde vorgeschrieben.' So galten für die ganze Walachei millimetergenau gezeichnete Pläne von Aborten mit der Innenarchitektur im Detail. 'Sogar das Kackloch war angegeben: Durchmesser 240 Millimeter. Die Kinder fielen in die Grube und schrieen jämmerlich, und die dicken Pfarrfrauen und behäbigen Gutsherrinnen schlugen sich mit schlechtem Gewissen in die Büsche. Denn die Deutschen kontrollierten alles mit humorloser Strenge. Seit damals sagt der Rumäne: Sei ein Mensch, kein Deutscher ...' Om sã fi, nu neamþ. Welch furchtbares Wort, dachte Clemens und schaffte sich eine lange Hose an. Erstand sie durch ein magisches Opfer seiner Freundin. Die trennte sich von einer Tonscherbe, die sie als Amulett bei sich trug. Es war ein Stück jenes Krugs, mit dem der Großvater in Schäßburg das umstrittene Wasser aus dem eigenen Brunnen geschöpft hatte. Der Krug ging zum Brunnen, bis er bra ... Leseprobe

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