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Pura Vida

Leben und Sterben des William Walker - Roman

Erschienen am 02.11.2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442739066
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 18.9 x 11.9 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Die Romanbiografie eines mythenumwobenen Abenteurers Man nannte ihn den "Don Quichotte Mittelamerikas": Der Abenteurer William Walker, der in den 1850er Jahren im Dschungel Mittelamerikas die Republik Sonora ausruft, sich später zum Präsidenten von Nicaragua ernennt und schließlich von der honduranischen Regierung exekutiert wird. Sensationsbericht, Reisetagebuch, Abenteurerbiografie und wissenschaftliches Dokument - all das vereint Patrick Deville in seinem von der Kritik bejubelten Roman.

Leseprobe

Wer ein wahrer Kenner des Boogie-Woogie aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist, der hört diesen ein wenig absurden und mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmenden Satz aus einem Lied von Guy Lombardo und seinen Royal Canadians. Nicaragua war damals von der nordamerikanischen Armee besetzt, und das Land stand vielleicht vor seiner musikalischen Integration. Managua Nicaragua, als wäre es Nashville Tennessee. Von der Guerilla des glorreichen Generals Sandino attackiert, stachen die Marines 1933 wieder in See. Und die Vereinigten Staaten überließen die Leitung ihrer Tanzbars und die Vertretung ihrer Interessen ebenso wie die damit verbundenen niederen Arbeiten der Fürsorge General Somozas. Einige Monate später, im Februar 1934, ließ Somoza Sandino ermorden. Managua Nicaragua is a beautiful town, und der rote Samtvorhang in der großen Music-Hall der Geschichte hebt sich über einem Conferencier in schäbigem Frack und Zylinder mit einem Spazierstock in der Hand, der dem Publikum die wunderbare und schreckliche und dennoch wahre Geschichte Nicaraguas ankündigt, während Guy Lombardo und seine Royal Canadians hinter ihm auf die Bühne kommen und ihre Instrumente stimmen. Einige Akkorde dieses Liedes kann man in Carol Reeds Film Der dritte Mann hören, obwohl die Verfilmung des Romans von Graham Greene gar nichts mit Nicaragua zu tun hat. Im Nachkriegswien wird es allerdings von einem anderen Orchester angestimmt, und zwar vor einem Haufen nikotinsüchtiger und depressiver Spione in einer Bar der amerikanischen Zone. Zu einem verteufelt schnellen Rhythmus beschreibt der Text, eine nostalgische Schnulze, das beschauliche Leben in den Tropen, eine kleine Ranch mit weißen Rindern unter Palmen. In der Mitte des verwüsteten Europas, im besetzten Wien Österreich, von den Siegermächten in vier internationale, mit Stacheldraht getrennte Zonen geteilt, erschien Managua Nicaragua wie ein fernes Paradies. Ich hatte eine kleine Kuh, eine kleine Ranch und eine Verlobte." Wenn Ende des 20. Jahrhunderts ein Flugzeug zur Landung auf dem Flughafen Augusto Cesar Sandino bei Managua ansetzt, neigt es sich bisweilen, je nach Windrichtung, sehr tief zum grünblauen Wasser des Lago Xolotlän, wie der Managuasee in Nicaragua heißt, am Fuß des Vulkans Momotombo hinunter und überfliegt den zerzausten Palmenwald, zu dem ein Teil Managuas nach dem Erdbeben von 1972 wieder geworden ist. Wenn heute ein etwas dicklich gewordener alter Boogie-Woogie-Fan, einer von jenen Männern, die in ihrer Jugend bei den Besatzungstruppen in Mitteleuropa dienten, mit einem Panamahut, einem Anzug in abgetöntem Weiß und einer roten Krawatte, in der Hand einen Flasche Whisky, an einem der kleinen runden Flugzeugfenster sitzt, könnte er meinen, er kehre in die kleine Hauptstadt der Bananenrepublik zurück, die Managua vor der Diktatur der Somozas war. Lange zuvor, in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, herrschen den Historikern nach unsichere und wilde Zeiten mit weißen Flecken auf den Landkarten und Männern, die im Taumel eines geplatzten Traums auf gut Glück durch einen dunklen Dschungel laufen. Zweige peitschen in ihre Gesichter und gegen ihre Hände, mit denen sie Waffen umklammern. Seit sechs Wochen sind sie auf der Flucht, mit jedem Schritt werden ihre Stiefel schwerer, hält der Schlamm sie stärker fest. An den schmierigen Wurzeln verstauchen sie sich die Knöchel. Manchmal fällt einer von ihnen hin und fleht, doch man lässt ihn zurück. Mit weit aufgerissenen, blutunterlaufenen Augen schlagen sich die Besiegten in die Büsche, lassen sich von einer Armee und ihren Schüssen in eine Gegend des Waldes jagen, die sie nicht kennen, ein Haufen ausgehungerter und gehetzter Söldner, die eines Abends entdecken müssen, dass man sie auf diese Weise ans Ufer eines Flusses treibt, den sie nirgendwo überqueren können. Als sie keuchend, schlämm- und blutverschmiert aus dem Wald kommen, laufen die Kräftigsten noch auf etwas zu, das aussieht wie ein altes kleines Fort Leseprobe

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