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Tagebuch 1989, Tagebücher 2

Erschienen am 01.07.2003
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442730933
Sprache: Deutsch
Umfang: 608 S.
Format (T/L/B): 3.5 x 18.7 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

"Vor fünfzig Jahren Kriegsanfang, vierzig Jahre Bundesrepublik und DDR. Und ich werde sechzig." Als Walter Kempowski dies in seinem Tagebuch notierte, ahnte er nicht, welche dramatischen Entwicklungen das Jahr 1989 nehmen sollte. Der wachsende Unmut in der DDR, die Ausreisewelle über Ungarn, die Montagsdemonstrationen und schließlich die Öffnung der Mauer - zwischen Bangen und Hoffen beobachtet Kempowski diese Entwicklung. Zugleich gewährt er jedoch auch Einblicke in den Mikrokosmos seines Alltags und in die Arbeit an seiner monumentalen Textcollage "Echolot", die 1989 in ihre entscheidende Phase tritt.

Autorenportrait

Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Reeders in Rostock geboren. Er besuchte dort die Oberschule und wurde gegen Ende des Krieges noch eingezogen. 1948 wurde er aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde Walter Kempowski entlassen. Er studierte in Göttingen Pädagogik und ging als Lehrer aufs Land. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Walter Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", deren Erscheinen er 1971 mit dem Roman "Tadellöser & Wolff" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Kempowskis "Deutsche Chronik" ist ein in der deutschen Literatur beispielloses Unternehmen, dem der Autor das mit der "Chronik" korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste internationale Anerkennung erntete, folgen ließ.Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007 im Kreise seiner Familie. Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Seit 30 Jahren erscheint sein umfangreiches Werk im Knaus Verlag.

Leseprobe

Januar 1989 Nartum So 1. Januar 1989, Neujahr Welt am Sonntag: Berichte über Stalin-Terror: 30 Millionen/ Angehöriger eines Erschießungskommandos: "Die Männer schwiegen, die Frauen weinten." Sonntag: Die Rote Fahne - Geschichte eines Revolutionsblattes 8 Uhr. T: Kann mein 1.-Klasse-Abteil nicht finden, und die FAZ ist ausverkauft. i989: Ein großes Gedächtnisjahr hebt die Röcke und möchte begattet werden: Vor 50 Jahren Kriegsanfang, 40 Jahre Bundesrepublik und DDR. - Und ich werde 60! Vor 20 Jahren mein erstes Buch. Das 200jährige Jubiläum der Französischen Revolution. Nietzsche nennt sie eine pathetische und blutige Quacksalberei. Ich bin gegen Revolutionen. Was geht in solchen Umbruchjahren nicht alles kaputt! Mal ganz abgesehen von den vielen Toten! In den ersten 16 Monaten nach der Oktoberrevolution wurden 16 000 Menschen erschossen. Man denke auch an die "nationale Revolution" der Nazis. Dieses säkulare Abschlachten. Das Umschalten auf eine neue Jahreszahl interessiert mich nicht sehr, das ist wie beim Tachometer. Das Umspringen auf das neue Jahrtausend wäre schon interessanter, das regt zu allerhand Vergleichen und Gedanken an. Im übrigen hat jeder Mensch seine eigene Zeitrechnung. Für mich sind u. a. die Jahre '42, '48 und '56 von Bedeutung. Über Weihnachten nahm ich meine kleine Orgel wieder in Betrieb. Leider funktioniert das Pedal nicht. Heute spielte ich nach alter Sitte den schönen Choral "Nun laßt uns gehn und treten." in der Bachschen Version. Ich legte mir das Gesangbuch daneben und sang den Text von Paul Gerhardt aus dem Jahre 1653, alle 15 Strophen. Sein Lebtag hat man damit zu tun, sich von dem Mann mit dem Bart zu lösen. Die Calvinisten wußten schon, weshalb sie die Bilder in den Kirchen abschafften. Gott ist Geist, wir sind die Seinen. Dieses Wetter ist ja nun wirklich durchwachsen. Schon seit Wochen grauer Himmel ohne einen Sonnenstrahl und dann dieser Regen, "nieselnd". Nicht einmal zu einem anständigen Kap Hoorn reicht es. Nieseln, das ist es. Bei ein wenig Glück wäre aus der Nieselei ein sanfter Watte-Schneefall geworden. "Könnte es nun nicht schneien?" pflegte meine Mutter zu sagen. Das Gerede von früher. Daß es da mehr Schnee gegeben habe. Und in der Tat, mir ist auch so. Mit Jürgen Kolbe sprach ich im Oktober über "Das Echolot", mein nächstes Großprojekt. Er bezeichnete das als Archäologie. Meine Vorstellung von preiswertem Papier und von französischer Broschur fand er gut, den Untertitel: "Ein kollektives Tagebuch" weniger. Einen Arbeitsvorschuß will er zahlen. Wir fuhren im Auto über den Stachus, als wir darüber redeten, und die Ampel zeigte Rot. War das ein schlimmes Vorzeichen? Rückblick auf 1988: Die "Hundstage", 90 Lesungen, allerlei Seminare und die Reise in die USA. Anschaffung des Computers und Kiellegung des "Echolot". Zu "Hundstage": Der Verlag freue sich über das Buch, wurde gesagt. Es werde jedoch von geschlechtsbewußten Buchhändlerinnen sabotiert. Im April begann ich mit M/B und mit dem "Sirius". Letzteres Vorhaben wurde, wie das "Echolot", durch den neuen Computer angeregt. Kurzer Spaziergang bei flammendem Sonnenuntergang. In der Nacht stand ich auf und ging nach unten, um mich etwas zu bewegen. Ich saß zwei Stunden in der Bibliothek und sah nach draußen. Schnee hastete über die Gartenlampe wie Rauch im Wind, ein seltener Anblick, er verwandelt meine Depression in so etwas wie ein Dankgebet. Prokofjew: Flötensonate. Unerklärlich grauenhaft. Nartum Mo 2. Januar i989 BildZeitung: SilvesterSchiff gesunken/100 Tote?/Deutsche an Bord Neues Deutschland: Gute Arbeitsergebnisse während der ersten Schichten am Neujahrstag Im LiteraturSeminar war ich hinter "Plankton" her: den winzigen Erinnerungsbildern, die unablässig in den Ganglien hin und herschießen. Man kann sie mit Reizwörtern einzeln abrufen. Kleine autonome Texte, die im günstigen Fall von hoher literarischer Qualität sind. Ich habe schon eine hübsche kleine Sammlung beisammen. Ein warmer Lat Leseprobe

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