Die verhinderte Jugend der Sonja Plog. Eine Rostocker Biografie.
„Einem hergelaufenen Hund mochte man nur zeigen, ich hebe einen Stein auf. Und er begreift, das ist ein Feind, der schlägt dich tot. Und der Hund läuft davon. Ich begriff das nicht. Heute weiß ich, dass es so war. Dass der Staat die Hand mit dem Stein war.“ Sonja war 16, trug Parka, Jeans, lange Haare und der Beat dröhnte aus dem Kofferradio.
Rostock, Mai 1968: „Wir saßen hier fest. We’re not going to San Francisco, some
flowers in our hair.“ Während in Paris, Berlin, Warschau die Straßen brannten, waren Sonja und ihre Freunde als Gammler verschrien und im Visier von Volkspolizei und Stasi. Sie sucht sich ihre kleinen Freiheiten, reist nach Berlin, in die Hauptstadt. Selbst das ist zu viel. Sie wird aufgegriffen, bekommt Aufenthaltsverbot für Berlin. Beim zweiten Mal wird sie in den Jugendwerkhof Torgau verfrachtet. Schlimmer als Knast. Die "Umerziehung zur sozialistischen Persönlichkeit", im Laufschritt, unter Peinigungen und Demütigungen, bedeutete die Auslöschung des Ichs. Danach Schweigegelübde. Die Befreiung für sie gab es nicht mit 18, mit der Volljährigkeit. sondern erst 1989.
Die Autorin Silke Kettelhake, langjährige Filmredakteurin im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, veröffentlichte 2008 unter dem Titel Erzähl allen, allen von mir! die erste Biografie zu Libertas Schulze-Boysen und ihrem Freundeskreis der Roten Kapelle. 2010 erschien im Osburg Verlag Renée Sintenis. Berlin, Boheme und Ringelnatz. 2012 publizierte sie im Droemer Verlag Mutter Corsage, die Lebensgeschichte einer Berliner Miederwarenverkäuferin. Mit Sonja: negativ-dekadent, erzählt Silke Kettelhake wiederum ein Frauenleben in beklemmender und zugleich befreiender Intensität.